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Ashes of the Singularity gehört zu den ersten Spielen mit Direct-X-12-Unterstützung. Unser Strategiespiel-Experte und Supreme-Commander-Fan Matti Sandqvist war aber nicht wegen der neuen Grafikschnittstelle heiß auf den RTS-Titel, sondern hoffte vielmehr auf die Wiederbelebenung seines einstigen Lieblingsgenres. Warum unser Nordstern nun herbe enttäuscht ist, verrät er in seiner Kolumne.
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- 1Ashes of the Singularity: Vorfreude ist (leider) die schönste Freude
- 2Ashes of the Singularity: Eine Herbe Enttäuschung
Ob etwa Dragon's Lair, Another World, Earth 2150, Ryse: Son of Rome oder nun Ashes of the Singularity: Jede Hardware-Generation und ebenso jedes Spielegenre kennt sie, die sogenannten Grafikblender. Damit sind Titel gemeint, für die man ganz offensichtlich mehr Zeit zum Erschaffen wunderschöner Spielewelten geopfert hat als für eine ausgeklügelte Spielmechanik. Auch wenn bei einigen der zuvor genannten Spiele dank der bildgewaltigen Ästhetik tatsächlich auch Stimmung aufkam, muss ich zugleich sagen, dass mir durchdachtes Gameplay sowie fein austariertes Balancing bei jedem einzelnen doch deutlich lieber gewesen wäre. Optisch opulente Spiele mögen ja gut dafür sein, um die neu gekaufte Grafikkarte auszureizen oder den nicht (mehr) spielenden Freunden und Bekannten zu zeigen, wozu die aktuellen Rechner so in der Lage sind. Aber mal ehrlich: Habt ihr euch wirklich wochen- oder gar monatelang mit Grafikblendern beschäftigt? Ich jedenfalls nicht. Ob ich mir sie trotzdem gekauft habe? Bedauerlicherweise muss ich gestehen: Viel zu häufig, inklusive Star Wars: Rebel Assault und The Order 1886. Ich könnte jetzt versuchen, mit Hardware-Anschaffungen wie einem CD-ROM-Laufwerk oder einer Konsole für die Wichtigkeit der Käufe zu argumentieren, doch am Ende waren es wohl ganz andere Gründe: Offensichtlich lasse ich mich mitunter leicht durch schöne Screenshots beeindrucken und male mir zudem viel zu blumig aus, welche spielerischen Möglichkeiten sich in den Titeln dank der grandiosen Atmosphäre eröffnen könnten. In Sachen Spiele scheine ich gelegentlich ein ziemlich naiver Optimist zu sein.
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Ashes of the Singularity: Launch-Trailer zum RTS-Spektakel
Dabei sollte man meinen, dass ich es mit meinen nun schon über 25 Jahren Erfahrung mit Computerspielen besser wissen müsste. Aber weit gefehlt: Auf Ashes of the Singularity, das wohl erste Spiel mit Direct-X-12-Grafik, habe ich mich wie ein Schneekönig gefreut. Die Gründe lagen auch wieder auf der Hand: Neben der tollen Technik verspricht das Echtzeitstrategie-Spiel des weithin unbekannten Entwicklers Oxide Games das Erbe von Supreme Commander anzutreten. Sprich: Ich habe futuristische Schlachten mit gewaltigen Armeen erwartet, in denen man dank frei zoombarer Optik stets die Übersicht behält. Zudem bevorzuge ich im RTS-Genre Spiele, in denen man ganz klassisch in aller Ruhe eine Basis aufbauen und ein weitsichtiges strategisches Kalkül anstatt schneller Mausbewegungen an den Tag legen muss. Da die beiden großen Echtzeitstrategie-Hoffnungen der letzten Zeit, Grey Goo und Act of Aggression, mich nicht vollends zu überzeugen wussten, war Ashes of the Singularity in meinen Gedanken fast schon zu so etwas wie einem Heilsbringer für mein ehemals liebstes Genre mutiert. Dass Oxide Games' Machwerk sich als ein Grafikblender entpuppen würde, hätte ich mir beileibe nicht vorstellen können.
Ashes of the Singularity: Vorfreude ist (leider) die schönste Freude
In der Steam-Beschreibung von Ashes of the Singularity sprechen die Entwickler obendrein viele Features an, die in mir - als Genre-Veteran - große Hoffnungen wecken. So sollen wir etwa "Kämpfe gegen eine intelligente KI-Engine erleben, die die Rechenkraft von Mehrkern-CPUs ausnutzt und nicht betrügen muss". Ebenfalls sollen sich die zwei spielbaren Fraktionen stark voneinander unterscheiden und obendrein "die gewaltige Leistungsfähigkeit der weltweit ersten nativen 64-bit-Echtzeitstrategieengine [sic] für Karten in noch nie dagewesener Größe und Detailliertheit" sorgen. Auf dem Papier und den veröffentlichten Screenshots schien Ashes of the Singularity die Offenbarung für jeden ehemaligen Supreme Commander-Fan - wie eben mich - zu werden.
Quelle: PC GamesWie im geistigen Vorbild Supreme Commander kämpfen in Ashes of the Singularity Hunderte Einheiten gegeneinander.Doch nun, nachdem ich viel zu viele der futuristischen Schlachten geschlagen habe, stellt sich Ernüchterung ein. Bis auf die pfiffige Grafik-Engine bietet Ashes of the Singularity in meinen Augen nicht viel mehr als leere Versprechungen. So bekommen wir es in der etwa zwölf Stunden langen Kampagne mit KI-Gegnern zu tun, die meines Erachtens zu den passivsten im gesamten Genre gehören. Manchmal nahm ich mir sogar die Zeit, eine Tasse Kaffee aus unserer Büroküche zu holen, während meine Fabriken munter Einheiten produzierten. Dabei kann man übrigens in puncto Kampagne nicht einmal so richtig von einem klassischen Grafikblender sprechen, denn die Inszenierung der mehr als austauschbaren Handlung von Ashes of the Singularity ist so trist, dass man sie zum größten Teil in Textform (und zwar nur auf Englisch!) serviert bekommt. Auch die Gefechte als solches konnten mich trotz der wunderschönen Lichteffekte kaum überzeugen. Dafür hätte ich mir ein deutlich durchdachteres Schere-Stein-Papier-Prinzip gewünscht. Stattdessen reichte es gegen die KI fast immer, dass ich so schnell wie möglich alle naheliegenden Ressourcen-Punkte auf der Karte besetzte, anschließend die größten und mächtigsten Einheiten des Spiels baute und so den Computergegner überrannte. Wobei "überrennen" hier ein wenig übertrieben ist. In Ashes of the Singularity bewegen sich die meisten Einheiten nämlich im Schneckentempo und außerdem sorgt eine miserable Wegfindungsroutine dafür, dass ganze Armeen sich aus unerfindlichen Gründen verirren.
Ashes of the Singularity: Eine Herbe Enttäuschung
Quelle: PC GamesDank freiem Zoom kann man auch die Details der Einheiten in Ashes of the Singularity betrachten.Klar, ich sollte von einem Supreme-Commander-ähnlichen Spiel auch keine grandiose Kampagne erwarten. Viel wichtiger ist es natürlich, dass der Skirmish-Modus gegen die KI Laune bereitet und die Mehrspielerschlachten Spaß machen. Doch auch hier konnte mich Ashes of the Singularity nicht wirklich überzeugen. Zum einen hatte ich es auf höheren KI-Schwierigkeitsgraden entweder dem Gefühl nach mit cheatenden Gegnern zu tun oder konnte Multiplayer-Schlachten gegen meine Freunde nicht beenden, weil diverse Abstürze dazwischen kamen. Insgesamt hatte ich folglich das Gefühl, dass die Entwickler viel mehr Zeit damit verbracht haben, eine tolle Grafik-Engine zu basteln, als ein stimmiges und vor allem funktionierendes Echtzeitstrategie-Spiel auf den Markt zu bringen.
So handelt es sich meines Erachtens bei Ashes of the Singularity zurzeit - trotz offiziellem Release - um eine echt teure Direct-X-12-Technikdemo mit gravierenden Mängeln. Wer sich aber - wie ich - auf ein gutes Echtzeitstrategie-Spiel gefreut hat, wird hier auf ganzer Linie herbe enttäuscht. Natürlich lässt sich darüber streiten, ob Ashes of the Singularity nun ein Grafikblender im engeren Sinne ist. Vielmehr ist es aktuell wohl eher ein Technikblender, der uns zeigt, dass XXL-Echtzeitstrategiespiele in Sachen Performance von Direct X 12 profitieren können. So oder so mangelt es dem Spiel aber am durchdachten Gameplay. Daher rate ich aktuell tatsächlich niemanden, das Spiel zu kaufen. Ob es später doch noch eine Empfehlung geben wird, hängt stark davon ab, ob die Entwickler weiter am Gameplay und Balancing feilen. Das technische Grundgerüst für ein potenziell gutes Echtzeitstrategie-Spiel hat das kleine Studio ja eigentlich ordentlich hinbekommen - natürlich wenn man von den Abstürzen absieht.
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